Vorwort

Meine Vorliebe gilt den Fahrzeugen der  Deutschen Reichsbahn Gesellschaft (DRG) in der Spurweite TT.  Mit der DRG verbindet man so klingende Namen wie den "Fliegenden Hamburger", den "Schienenzeppelin ", den "Rheingold" oder die Einheitslokomotiven. Weniger bekannt sind vermutlich die Hintergründe, die zur Entstehung der DRG im Jahre 1924 geführt haben. In einem Abkommen musste das Deutsche Reich den Westalliierten die Betriebsrechte der Bahn verpfänden um im Gegenzug die Räumung des besetzten Ruhrgebietes zu erreichen. Folgerichtig waren im Verwaltungsrat der neu gegründeten Gesellschaft auch die Alliierten vertreten. Bereits im Jahre 1937 wurde die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft wieder gelöscht. Die DRG existierte also nur einen kurzen Zeitraum, im dem jedoch viele technische Innovationen erprobt und realisiert wurden. Sie verfügte über 53900 Streckenkilometer und beschäftigte fast 650.000 Menschen. Sie war zu dieser Zeit das größte Unternehmen der Welt. Zum Fahrzeugpark gehörten 23.000 Triebfahrzeuge sowie 675.000 Waggons. Trotzdem kann die Entwicklung der DRG nicht isoliert von der Epoche II gesehen werden.

 

Epoche II


Slg. Dieter Woischke

Die Eisenbahnzeit von 1920 bis 1945 wird auch als die Epoche II - oder aber die Zeit der alten Reichsbahn - bezeichnet. Es waren die großen Stadtbahnhöfe mit wichtigen internationalen Verbindungen die von eleganten und modernen Schnellzüge bedient wurden. Aber es gab auch noch die kleinen Landbahnhöfe  an den Nebenstrecken, wo noch wie zu Kaisers Zeiten die gleichen Loks und Wagen hielten. Teilweise konnte man noch bis 1927  Fahrzeuge in der jeweiligen Länderbahnlackierung antreffen. Die Dampflokomotiven hatten in der Entwicklung ihren Höhepunkt erreicht und andere Antriebsarten fanden langsam ihren Platz.

Das rechte Foto was vermutlich zum Ende der Länderbahnzeit aufgenommen wurde,  verrät vieles vom  Stellenwert den die Bahn im Leben der Menschen gespielt hat  Ein Lokführer präsentiert sich und seine Familie stolz vor einer Dampflok P8.
 

Ab 1920

Die ehemaligen Länderbahnen von Preußen, Bayern, Sachsen, Baden, Württemberg, Oldenburg und Mecklenburg gehen in die Verwaltung des Deutschen Reichs über. Neue Lokomotiven und Wagen werden zum Ausgleich der Reparationsleistungen und der kriegsbedingten Verluste  beschafft. Einige noch von den Länderbahnen georderte Bauaufträge finden  ihren Abschluss erst zur Reichsbahnzeit, oder werden sogar noch weitergebaut.

Auch die 23 Lokomotiven der Sächsischen Baureihe XX HV, gebaut von 1918 - 1923 von der Maschinenfabrik Hartmann in Chemnitz gehen unter der neuen Baureihe 19 in die Verwaltung der Deutschen Reichsbahn über.

1921
Ein Abkommen zwischen Deutschland , Polen und der freien Stadt Danzig regelt den freien Durchgangsverkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland. Die englisch-kanadische Gruppe Great Eastern Railway Co. London steigt mit einer Beteiligung von 40% bei der Mitropa ein. Die von der Mitropa gewünschte Verbindung soll gegenüber von Wagon-Lits ein Gegengewicht bilden. Die Reichsregierung beschließt die Erhöhung der Eisenbahntarife um 30%. In der 1. Klasse müssen 47 Pfennig und in der 4. Klasse 17 Pfennig pro gefahrenen Eisenbahnkilometer gezahlt werden.

1922
Die vierfach gekuppelte BR 39 (preußische P10) wird nach Verzögerungen bei der Entwicklung von der Fa. Borsig übergeben. Bis 1927 sollten noch 260 Maschinen gebaut werden. 
Mehr als 650.000 Arbeiter und Beamte der Reichseisenbahnen treten in einen sieben Tage dauernden Streik für höhere Löhne. Nicht gestreikt wird in den durch alliierte Truppen besetzten Gebieten, da dort ein absolutes Streikverbot verhängt wurde. Der neue Stuttgarter Hauptbahnhof ist nach einer kriegsbedingten Unterbrechung in 8 Jahren fertig gestellt. Hanomag baut die 10.000 Lokomotive.

1923
Einmarsch französischer und belgischer Truppen ins Ruhrgebiet; mit dem Ziel der Sicherung der Reparationszahlungen. Durch die Ruhrbesetzung und den  damit verbundenen Kohlemangel kommt es zu Einschränkungen im Zugverkehr. Die Reichsregierung ruft zum passiven Widerstand auf. Die ersten FD-Züge nehmen den Verkehr auf. Die Elektrifizierung wird in Bayern, Mitteldeutschland und Schlesien vorangetrieben. Die Inflation gewinnt immer mehr an Fahrt. Die Eisenbahntarife in Deutschland steigen im Personenverkehr um 100% und im Güterverkehr um 50%.

1924
Gründung der Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (DRG).  Auf dem Güterbahnhof von Seddin findet die viel beachtete eisenbahntechnische Ausstellung mit 120 Lokomotiven und 150 Wagen statt. Die erste von drei Großdiesellokomotive wird im Rahmen einer deutsch-russischen Kooperation entwickelt und von der Maschinenfabrik Esslingen gebaut.

1925
Die ersten neuen Schnellzugslokomotiven der BR 01 werden in Dienst gestellt. Lieferanten sind die Lokfabriken AEG und Borsig in Berlin. Die Mitropa und die ISG grenzen vertraglich ihre Einflussgebiete ab.

1927
01.06. Eröffnung des 12 km langen Hindenburgdammes, der die Insel Sylt mit dem Festland verbindet. Bei einer Unwetterkatastrophe im östlichen Erzgebirge werden die Bahnstrecken Heidenau - Altenberg, Pirna - Gottleuba und Pirna - Großcotta schwer beschädigt und vorläufig vollständig geschlossen. Die Schmalspurstrecke Heidenau - Altenberg wird in den folgenden Jahren vollständig erneuert und dabei auf Normalspur umgebaut.

1928
Mit der E 95 wird die mit 2778 kW stärkste E-Lok Baureihe in Dienst gestellt. Die Maschine ist 138,5 t schwer und hat eine Länge 20,9 Meter. Die Baureihe ist für die schweren Kohlenzüge aus Schlesien vorgesehen. Von Breslau zieht sie  OOt- Ganzzüge mit über 2700 t.

1929
Der neu gebaute Bahnhof in Königsberg wird eröffnet. In den Jahren 1929 und 1930 stellt die DRG nur 59 bzw. 60 neue Lokomotiven in Dienst. Die Verteilung der Fertigung erfolgte über einen Schlüssel auf 18 Fabriken. Die Sächsische Maschinenfabrik vormals R. Hartmann in Chemnitz muss ihre Produktion als Folge sinkender Abnahmezahlen einstellen. Der Wochenverdienst eine Arbeiters beträgt 149 Mark. 

1930
Nahezu alle Güterwagen sind mit der Knorr-Bremse ausgerüstet. Dadurch verringert sich das Begleitpersonal -  Bremser -  von über 5 Personen vor dem ersten Weltkrieg auf 2,6 Personen.  Der durchschnittliche Aufenthalt der Lokomotiven im RAW´s reduziert sich durch die Werkstättenreform von 110 Tagen im Jahr 1918 auf durchschnittlich 26 Tage. Die Kilometerleistung zwischen zwei Hauptuntersuchungen verdoppelt sich. Als leichtere Variante der BR 01 kommen die Lokomotiven der BR 03. Die DRG befördert die ersten privaten PKWs in gerade einmal 30 Stunden in Eil-Güterzügen von Hamburg nach Basel. Die Bahn reagierte damit auf die zunehmende Anzahl von PKWs. Waren Anfang der 1920er Jahre gerade einmal 60.000 Autos unterwegs,  war die Zahl Anfang der 1930erJahre auf über 400.000 Fahrzeuge angestiegen.

Das Bild rechts zeigt die Waggonfabrik Crede in Kassel. Heute befindet sich ein Einkaufszentrum auf dem Gelände.


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1931
Die praktische Erprobung des Schnelltriebwagens "Fliegender Hamburger" verläuft erfolgreich. Der "Schienenzeppelin" der privaten Flugbahn-Gesellschaft absolviert eine Deutschlandrundfahrt von Berlin nach Düsseldorf und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h. Der Leichttriebwagen wurde durch einen BMW-Motor mit einer Luftschraube ähnlich wie ein Propellerflugzeug angetrieben. Die Lokfabrik August Borsig in Berlin stellt ihre Produktion ein.

1933
Die ersten Kleindieselloks der Leistungsgruppen I und II (Kö später die Köf)  werden gebaut. Auf der Strecke zwischen Berlin und Hamburg nimmt der Schnelltriebwagen "Fliegender Hamburger" mit 160 km/h Höchstgeschwindigkeit den planmäßigen Betrieb auf. Die DRG muss der neuen NS-Regierung Kapital und Personal für den Bau der Autobahnen zur Verfügung stellen.

1935
In Nürnberg wird das 100 jährige Jubiläum der Eröffnung der Strecke von Nürnberg nach Fürth gefeiert. Eine große Eisenbahnparade wird durch die damals fabrikneue 01 150 im Gefolge von weiteren neuen Einheitslokomotiven eröffnet. Ein Nachbau des Adlerzuges spannt den Bogen bis zum Beginn der Eisenbahnzeit in Deutschland. Der Wochenverdienst eines Arbeiters beträgt 112 Mark.

1936
Die Lübeck-Büchener Einsenbahn startet mit Doppelstockwagen und der von Henschel gebauten, stromlinienverkleideten Tenderlok BR 60 den Schnellverkehr zwischen Hamburg und Lübeck mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h.  Ab dem Sommerfahrplan pendelt der Henschel-Wegmann-Zug täglich zweimal zwischen Dresden und Berlin. Die Stromlinienlok
BR 05 002 erreicht mit einem 200 t Zug zwischen Hamburg und Berlin eine Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h.
Zu den  Olympischen Sommerspielen in Berlin setzt die DRG 2170 Sonderzügen für ca. 1,3 Millionen zusätzliche Fahrgäste ein. Die Lokfabrik Schwarzkopf liefert die Güterzuglok BR 41 ab. Insgesamt werden 366 Lokomotiven der BR 41 gebaut.

1937
Die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft, die seit 1933 immer mehr an Bedeutung verloren hatte, wird endgültig aufgelöst. Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn v. 10. Februar 1937 untersteht die Bahn  nun wieder der uneingeschränkten Reichshoheit. Der Name der Bahn lautet "Deutsche Reichsbahn" - die Abkürzung  DRB oder später nur noch DR.

1938
Der DRG Adler als Hoheitszeichen wird durch den NS-Adler ersetzt. Die Reichsbahn übernimmt die in Zahlungsschwierigkeiten geratene Lübeck-Büchener Eisenbahn , an der sie bereits in den Vorjahren Anteile erworben hatte.

1939
Ein Schnelltriebwagennetz verbindet alle größeren Städte in Deutschland miteinander. Die ersten Güterzuglokomotiven der BR 50 werden der Reichsbahn übergeben.
Der dreiteilige 1200-PS-Schnelltriebwagen SVT137 155 des Ingenieurs Kruckenberg erreicht auf der Strecke Hamburg - Berlin eine neue Rekordgeschwindigkeit von 215 km/h. Durch den Überfall auf Polen und den damit beginnenden 2. Weltkrieg wird die Eisenbahn wie schon 25 Jahre vorher für die Truppen-  und Materialtransporte eingesetzt.

ab 1940
Die   Lokfabriken in Deutschland und den besetzten Gebieten bauten mit Hochdruck Güterzuglokomotiven, die durch eine Reihe von Vereinfachungen für eine Betriebszeit von max. 6 Jahren ausgelegt sind. Bis 1945 entstehen so über 12.000 Maschinen, die nach dem Krieg über ganz Europa verstreut sind und  teilweise bis in die 1980er Jahre noch im Einsatz bleiben. Neben den Transporten zu den Fronten steigt der Güterverkehr innerhalb von Deutschland -  bedingt durch die Kriegsproduktion -  enorm an. In den weiteren Jahren bis zum Ende des Krieges wird der Verkehr für die Zivilbevölkerung immer mehr eingeschränkt. Die Reichsbahn setzt verstärkt Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene ein um die entstandenen Lücken zu schließen. 1943 sind  z.B. über 36.000 Menschen, was 13% der Gesamtbelegschaft entspricht, eingesetzt. Das düsterste Kapital der Epoche II sind jedoch die langen Züge in denen Millionen von Juden und Regimegegner  von Deutschland und den besetzten Gebieten in die Vernichtungslager deportiert werden.

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