Die Geschichte der von 1916 - 1945


Vorgeschichte
In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg wurde der Schlaf- und Speisewagenbetrieb in Deutschland durch die 1876 gegründete Internationale Schlafwagen-Gesellschaft  (ISG) mit Sitz in Brüssel beherrscht. Im Dezember 1896 kam es zur Gründung einer Tochtergesellschaft, der Deutschen Eisenbahn-Speisewagen-Gesellschaft (DESG). Es gab noch weitere Unternehmen, die jedoch überwiegend nur regionale Bedeutung hatten. Den Schlafwagenbetrieb teilten sich vor dem ersten Weltkrieg überwiegend die ISG und die preußisch-hessische Eisenbahnverwaltung, die über Ihr Gebiet hinaus Schlafwagen in eigener Regie betrieb. Im Zuge des 1.  Weltkrieges beschäftigten sich schnell auch Regierungsstellen mit der Tatsache, dass ein belgisch-französisches Unternehmen in Deutschland, Österreich und Ungarn Schlaf- und Speisewagen unterhielt. Bereits im Jahre 1915 verfasste der Preußische Minister für öffentliche Arbeit eine Denkschrift "betreffend der Verdrängung der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft aus Deutschland und Osterreich-Ungarn". 

Außer der bayrischen Staatsbahn, die damals schon um den Tourismus und die damit verbundenen Einnahmen aus dem Ausland fürchtet, fanden die Überlegungen bei allen anderen Länderbahnen Zustimmung. Ein solches Vorhaben war jedoch nur im Einvernehmen mit Österreich-Ungarn zu realisieren. Die beteiligten Bahnverwaltungen der Länder kamen überein, dass der neuen Gesellschaft das ausschließliche Recht  zum Betrieb von Schlaf- und Speisewagen zu übertragen ist.

Gründung
Am 24. November 1916 wurde unter Beteiligung der Banken in Berlin die Gründungsurkunde der Mitteleuropäischen Schlafwagen und Speisewagen Aktiengesellschaft unterzeichnet. Dem Aufsichtsrat gehörten außer den Staatsbahnverwaltungen, Vertreter von Banken (ohne die ging es auch damals nicht) sowie der Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie an. Die regionalen Schlafwagenbetriebe gingen in dem neuen Unternehmen auf. Mit 5 Mio. Mark Stammkapital startete das neue Unternehmen im September 1916. Anfangs benutzte das Unternehmen die Abkürzung MSG. Erst später bürgerte sich der Name Mitropa ein. In einem Vertrag mit der ISG wurde die Übernahme der Speisewagen- und Schlafwagenkurse in Deutschland und den besetzten G
ebieten sowie die Übernahme und der Ankauf der Wagen sowie der Vorräte an Lebensmittel, Getränke und Rauchwaren aus Beständen der ISG vereinbart. Aus heutiger Sicht kann der Vertrag nur als Diktat betrachtet werden. Der Vertrag  sicherte der Mitropa ein Monopol bis zum 1. Oktober 1946. Ab 1916 übernahm die Mitropa die Bewirtschaftung des sog. Balkanzuges. Der Zug war als Gegenstück zum Orientexpress gedacht und fuhr zweimal in der Woche u.a. von Berlin über Budapest, Belgrad, Sofia nach Konstantinopel. Der Zug führte Schlaf- und Speisewagen, sowie Wagen der 1. und 2. Klasse mit sich. Um die Herkunft der eingereihten Teakholzwagen der ISG zu verschleiern, wurden die Embleme mit einer Tafel abgedeckt. Kurz nach der Kapitulation der Mittelmächte wurde der Balkanzug eingestellt.


Mitropa Aktie 1924


 

Versailler Vertrag
Der Versailler Vertrag schränkte die Betriebsführung der Mitropa erheblich ein. Die ISG führte 20 Prozesse gegen die Reichsbahn und das Deutsche Reich vor einem im Schiedsgericht. Ziel der ISG war logischerweise die Wiederherstellung der alten Verträge vor dem 1. Weltkrieg. Ferner wurden hohe Schadensersatzansprüche gestellt sowie die Herausgabe der von der Mitropa übernommenen Wagen gefordert. Im Innerdeutschen Raum wurden die Betriebsrechte der Mitropa stark eingeschränkt. Alle   Transitzüge in Deutschland aus alliierten Staaten wurden durch die ISG bewirtschaftet. Eine Regelung hierzu befand  sich im Versailler Vertrag Artikel 367. Weitere Kurse richtete die ISG in den besetzten Gebieten ein.

Sicherungsverträge
Aus Sicherheitsgründen (wir würden heute von einer strategischen Allianz sprechen) wurde 1921 mit der Great Eastern Railway Co., London eine Beteiligung von 40% am Kapital der Mitropa vereinbart. Die Beteiligung wurde nun in eine englisch -kanadische Gruppe in Genf eingebracht, an der die Mitropa wiederum zu 20% beteiligt war. Damit sollten zum einen die alten Konzessionen der Mitropa im Ausland gesichert werden. Noch wichtiger war aber, dass damit auch eine angestrebte 51% Beteiligung der ISG an der Mitropa verhindert wurde. Die ISG betrachtete die Entwicklung verständlicherweise mit großem Misstrauen. Am 10. Januar 1925 endeten die im Versailler Vertrag geregelten Vorrechte der ISG in Deutschland. Im Idealfall hätte nun die Mitropa mit der ISG eine Vereinbarung über den Betrieb im Monopolgebiet der jeweils anderen Gesellschaft schließen können. Dazu kam es jedoch nicht. Die ISG verhandelte direkt mit der Deutschen Reichsbahn bzw. der neu gegründeten Deutschen Reichsbahn Gesellschaft, deren Aufsichtsrat wiederum mit Vertretern der Alliierten besetzt war. Erst später wurde auch die Mitropa an den Verhandlungen beteiligt. Wieder einmal gab es einen Vertrag zwischen der Mitropa und der ISG der am 23.April 1925 ratifiziert wurde.
 


Mitropa Speisewagen um 1927

Der ISG erhielt darin weiterhin das Recht  auf  Bewirtschaftung von Transitzügen  durch Deutschland. Die Mitropa wurde im Gegenzug die Bedienung von Zügen zwischen Deutschland, dem Saarland und Danzig sowie zu bestimmten Zielen in Österreich der Schweiz, Skandinavien, Böhmen und Holland gestattet. Der Vertrag sollte zunächst bis 1934 gelten.

Erfolge
Trotz dieser Beschränkungen gelang der Mitropa in der Epoche II eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Dazu beigetragen hatte nicht zuletzt der ausgezeichnete Service sowie der hohe Qualitätsstandart der Fahrzeuge. Durch den steigenden Personenverkehr auf der Schiene beschaffte die Mitropa ab dem Jahr 1923 neue Wagen. In diesem Jahr wurden 20 Schlafwagen in Dienst gestellt. Im Jahr 1928 waren es sogar 68 Schlafwagen und 40 Speisewagen, die erstmals die bordeauxrote Lackierung mit dem einprägsamen Mitropa-Schriftzug und dem Adleremblem erhielten. Schon auf dem Bahnsteig konnte der Fahrgast für eine Reichsmark die Mitropa-Reisekissen anmieten, die in Papiertüten erhältlich waren. Kleinigkeiten, die jedoch zum guten Ruf des Unternehmens beitragen sollten.
 

Ab 1928 kam für die Mitropa die Bewirtschaftung des legendären "Rheingolds" hinzu, der neue Maßstäbe in Luxus und Komfort setzte. Die speziell konstruierten schweren Pullmannwagen boten ein Reiserlebnis der Sonderklasse. Jeder 2. Wagen war mit einer Küche ausgestattet. Es gab also keine Speisewagen - der Fahrgast wurde am Sitzplatz bewirtet. Die komfortablen Salonwagen  waren mit kleinen Tischen und darauf mit Lampen ausgestattet.

Der Zug war mit seiner Route von Amsterdam nach Basel entlang der Rheinstrecke für viele Besucher von Deutschland ein absolutes Muss und die DRG sowie auch die Mitropa warben auch im Ausland kräftig dafür.  Der exquisite Luxuszug konnte sich sehen lassen - von außen wie von innen: Die Salonwagen zeichneten sich durch ihren violett-crèmefarbenen Anstrich und durch die vergoldeten Aufschriften aus. Im Innenraum der Ersten Klasse glich kein Wagen dem anderen: Möbel und Beleuchtung, Stoffbezüge der Sessel, selbst die Teppiche unterschieden sich in Form und Farbe.
 

Neben den Speise- und Schlafwagenbetrieb ist die Mitropa aber auch auf weiteren Feldern aktiv. Sie unterhielt die Bewirtung auf den Fährschiffen von Saßnitz nach Trelleborg und den Havel-Motorschiffen. Ferner besaß die Mitropa die Mehrheit an den der Elite Autofahrt GmbH, die Stadtrundfahrten durch Berlin durchführte. Ferner gehörten auch verschiedene Bahnhofsgaststätten der Mitropa.

Ab 1929 betrieb die Mitropa auch die Speisewaren der Bernina-Bahn und der Rhätischen Bahn in der Schweiz. So konnten auch die Fahrgäste zwischen Chur und St. Moritz bei der Mitropa essen und trinken. Ein weiteres Abkommen mit der noch jungen Luft Hansa ermöglichte der Mitropa die Bewirtung  zwischen Berlin und Paris.  Die Mitropa sorgte dabei nicht nur für die Speisen und Getränke sondern stellte auch die Ausrüstung. Statt der heute üblichen Stewardess kam ein Kellner der Mitropa. Die Flugreise steckte in den Kinderschuhen und musste ihre eigene Form erst noch finden. 
 

Die weiteren Expansionsüberlegungen der Mitropa zum Ende 1920er Jahr wurden ausgerechnet durch die DRG, die die Aktienmehrheit besaß verhindert. Per Weisung untersagte  die DRG jede Ausweitung der Geschäfte auf den osteuropäischen Raum wie z.B. Polen, Russland und Jugoslawien. Die Arbeit in Österreich, Ungarn, Schweiz und Holland blieben davon jedoch unberührt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten  musst auch die Mitropa ihren Beitrag zur Propaganda leisten. Der Höhepunkt waren sicherlich die Olympischen Spiele 1936 in deren Folge die Mitropa nicht weniger als 1775 Sonderzüge bewirtschaftete. Das Unternehmen entwickelte sich weiterhin erfolgreich.

2. Weltkrieg
Im Jahr 1939 fuhren täglich 244 Schlafwagen und 298 Speisewagen für die Mitropa. Die Ereignisse zu Beginn des 2. Weltkrieges erinnerten die älteren Mitropa-Manager sicherlich an die Anfänge der Gesellschaft, denn die Verträge mit der ISG wurden wieder einmal  außer Kraft gesetzt. Eine Reihe von Speise- und Schlafwagen mußten an die Wehrmacht abgegeben werden. Die Schlafwagenkurse die von Berlin aus fuhren waren ständig überbelegt. Ab 1943 wurde die Schlafwagenbenutzung auf Anordnung des Verkehrsministeriums nur noch für kriegswichtige Reisen zugelassen. In den Speisewagen wurden für den Verzehr Lebensmittelkarten notwenig. Die Mitropa übernimmt zwischen 1939 und 1941 die Bewirtschaftung der Bahnhofsgaststätten von Königsberg, Posen, Kattowitz, Thorn und Krakau sowie von Warschau. Es gab sogar Überlegungen von der ISG Fahrzeuge für Speise- und Schlafwagenkurse in Polen anzumieten. Mit dem Sommerfahrplan 1941 kamen Schlafwagenkurse nach Rumänien und später sogar bis nach Griechenland dazu. Die augenscheinlichen Erweiterungen konnten jedoch nicht über den allgegenwärtigen Mangel an Material, Lebensmitteln und Mitarbeitern hinwegtäuschen.  So befanden sich 1944 über 2300 Mitarbeiter bei der Wehrmacht. Die Fahrzeugverluste durch Bomben-  und Fliegerangriffe beliefen sich 1944 auf rund 2,72 Mio. Reichsmark. Bei Kriegsende waren die Wagen der Mitropa in alle Länder verstreut. Um den russischen Truppen zu entkommen verlegte man die Direktionsverwaltung im April 1945 in einem schnell zusammengestellten Speise- und Schlafwagenzug von 14 Wagen aus Berlin über Ratekau und Bad Segeberg nach Hamburg. Der satzungsmäßige Sitz der Mitropa blieb jedoch Berlin.  Mit der Teilung von Deutschland zerfielt auch die Mitropa in vier Teilunternehmen. Aufsichtsrat und Vorstand in Hamburg versuchten zwar noch die Leitung zu behalten, aufgrund ihrer politischen Vergangenheit war dies jedoch nicht mehr realisierbar.

Das vorläufige Ende
Im Ostteil von Berlin wurde am 22.05.1945  die Mitropa neu angemeldet. Sie fuhr in den folgenden Jahrzehnten weitgehend beschränkt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. An den Ruf und den Flair den die Gesellschaft vor dem 2. Weltkrieg hatte, konnte sie nicht mehr anknüpfen. Nach der Vereinigung der deutschen Bahnen liefen alle Speisewagen der DB AG zunächst unter der Bezeichnung "Mitropa". Das halbherzige Konzept wurde aber schon im Jahre 2002 wieder aufgegeben. Seit dem April 2004 gehört die Mitropa GmbH der  internationalen Foodservice-Unternehmen Compass Group PLC an.

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